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SACHSENDREIER
 
Stern-Combo Meißen • LIFT • Karussell
 
Halle | Steintor-Varieté | 3. Oktober 2025
 
Ein Bericht mit Fotos von Matthias Ziegert und Sebastian Ziegert



Vor zwei oder drei Jahren war zuerst auf der Homepage von LIFT die Rede davon, dass der SACHSENDREIER ein Comeback feiern würde. Werther Lohse tat dies auch vorher schon hier und da kund, und von ihm ging wohl auch die Initiative aus, dass dieses Projekt wieder an den Start ging. Was für eine tolle Nachricht! Würde Electra etwa eine Reunion feiern? Würden die drei Kultbands LIFT, Electra und die Stern-Combo Meißen tatsächlich wieder gemeinsam auf Tour gehen? Nein, leider nicht. Ein Wiedersehen mit Electra sollte es nicht geben, denn die Herren um Bernd Aust hatten nicht vor, von ihrer Ankündigung, nicht mehr gemeinsam auftreten zu wollen, einen Rückzieher zu machen. Aber was sollte das Ganze dann? Wer sollte da als Drittes mit ins Rennen geschickt werden? Und wer würde von so etwas profitieren?


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Dieses SACHSENDREIER-Projekt wurde Mitte der 90er auf die Beine gestellt, um die eben genannten Kultbands aus dem Bundesland Sachsen gebündelt auf die Bühne zu bringen. Alle drei Bands waren musikalisch wie inhaltlich miteinander verwandt. In den 1970ern und 1980ern schufen sie großartige Werke. Alle aus dem Artrock kommend, bogen sie in den Achtzigern irgendwie in den Popbereich ab und zeigten auch hier, wie viel Kreativität in ihnen steckt und mit wieviel Anspruch man den sogenannten "Mainstream" bedienen kann. Electra, Stern Meißen und auch LIFT lieferten nach dem Stilwechsel weitere Hits ab und eroberten sich ein neues Publikum. Natürlich gab es in Sachsen auch ganz andere tolle Rockbands, aber eben keine weitere wie die, die den SACHSENDREIER bildeten.

Darum nochmals die Frage: Wer sollte hier Electra ersetzen? Es ist nicht bekannt, wer auf die Idee kam, aber die freie Stelle wurde mit der Gruppe Karussell besetzt - ebenfalls eine ausgesprochen gute Rockband, aber vom Handwerk her eben doch komplett anders als die Vertreter des originalen SACHSENDREIER. An sich nicht schlimm, denn wie gesagt: Karussell ist eine tolle Rockband, deren Auftritte richtig viel Spaß machen. Aber trotzdem ist es ungeschickt, den alten Namen zu verwenden und nicht wenigstens einen Zusatz vor oder hinter den Begriff "Sachsendreier" zu setzen. Manch einer hat sicher tatsächlich electra erwartet … Bei einer Pizza "Vier Jahreszeiten" schneidet man ja auch nicht eine Jahreszeit heraus und ersetzt sie durch ein Stück Lasagne. Aber schauen wir mal, wie der neue SACHSENDREIER, der 2025 auf Tour ist, so klingt - und wie das alles zusammenpasst.

Am 3. Oktober 2025 war das Steintor-Varieté in Halle Ziel vieler musikbegeisterter Menschen, denn hier war ein Konzert des eingangs beschriebenen Projekts angesagt - dem SACHSENDREIER. Und das Steintor-Varieté? Da war doch was! Genau: Am 27. März 1999 machte der SACHSENDREIER hier schon einmal Station. Ein Mitschnitt dieses Konzerts existiert auf der bisher einzigen DVD, die es vom SACHSENDREIER gibt. Knapp 26 Jahre später ist man nun wieder hier - wie beschrieben in anderer Besetzung und mit anderen Musikern. Die Leute waren jedenfalls interessiert und füllten das Haus innerhalb weniger Minuten. Die Spannung war groß, ebenso wie die Neugier auf das, was uns hier gleich erwarten würde. Und all dies löste sich, als Wolf Rüdiger Raschke die ersten Töne des Songs "Als ich fortging" als Intro für den Abend spielte.


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Zuerst war der Gründer von Karussell ganz allein auf der Bühne, dann folgten seine Kollegen. Ehe man sich versah, war der Abend in vollem Gange. Da haben Dirk Michaelis als Komponist und Gisela Steineckert als Texterin der Band Karussell einen Megahit hinterlassen, der ihre Konzertsäle noch heute füllt und die Leute in die richtige Stimmung versetzt - im SACHSENDREIER-Programm ebenso wie bei regulären Konzerten der Band. Dort dient die Melodie als Intro, während der Song in Gänze erst als Zugabe erklingt - quasi auf dem Höhepunkt des Abends. So war es auch in Halle.

Es folgte mit dem Stück "Entweder oder" vom gleichnamigen Album aus dem Jahre 1979 einer von zwei Klassikern der Band im ersten Set. Später kam noch "McDonald" dazu. Ansonsten bestand der erste Teil - mit einer Ausnahme - aus Titeln neueren Datums. Richtig gute Stimmung kam dann auch erst bei "McDonald" auf, was für mich ein untrügliches Zeichen dafür war, dass die Leute eher wegen der Klassiker von "damals" gekommen waren. Die Stimmung änderte sich dann nach der Pause beim zweiten Auftritt von Karussell. Hier war die Titelauswahl gelungener, was auch vom Publikum lautstark mit Applaus goutiert wurde. "Bruder Blues", "Verrückter Vormittag", das "Fischlein unterm Eis", "Autostopp" und Cäsars wohl größter Hit, den er einst von RENFT mit zu Karussell brachte - "Wer die Rose ehrt" - bildeten den zweiten Teil ihres Programms. Beim Song "Bruder Blues" schickten die Musiker auch einen Gruß an ihren ehemaligen Kollegen Cäsar in den Himmel, wobei Joe Raschke mit seinem Solo auf der Mundharmonika brillierte und Jubelrufe aus dem Publikum erntete.

Gewürzt waren die Lieder immer wieder mit Soloausflügen einzelner Musiker, die vom Publikum frenetisch gefeiert wurden. Und wie schon erwähnt, zündeten auch die gespielten Lieder die Zuhörerschaft förmlich an. Mit tollen Einlagen und guter Leistung machten besonders Gitarrist Moritz Pachale, Bassist Jan Kirsten und das Urgestein Reinhard "Oschek" Huth auf sich aufmerksam. Insgesamt war der Auftritt von Karussell sehr unterhaltsam - und wie bereits erwähnt, war das Lied "Als ich fortging" als letzte Zugabe des Abends ein absolutes Highlight. Doch dazu gleich noch etwas mehr …


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An Position zwei im Ablaufplan stand Werther Lohse mit seiner Band, die aus Bruno Leuschner an den Tasten, Markus Christ am Schlagzeug und Jacob Müller am Bass bestand. In die Verlegenheit, das Publikum mit neuen, nicht wirklich zum klassischen Output der Band passenden Songs zu irritieren, kam der Sänger nicht. Da unter dem Namen LIFT" - mit Ausnahme der EP "Der Admiral", die ja mehr ein Demo als eine fertige Produktion war - bekanntermaßen schon seit Jahrzehnten nichts Neues mehr entstanden ist, bediente man sich für die Setlist des Abends also der Titel, die auf den vier Alben der Band bis zur Wende veröffentlicht wurden. Gestartet wurde mit dem Klassiker "Wasser und Wein". Mit "Vincent van Gogh" vom 1981er Album "Spiegelbild" überraschte Lohse dann sogar mit einem mir live noch nicht zu Gehör gekommenen Titel und ließ mit "Jeden Abend", "Falsche Schöne" und "Nach Süden" im ersten Teil sowie "Mein Herz soll ein Wasser sein", "Nach Hause" und "Am Abend mancher Tage" nach der Pause im zweiten Teil weitere Überhits folgen. Und dann gab es die faustdicke Überraschung: Im zweiten Teil befand sich tatsächlich doch noch ein brandneuer Song - genauer gesagt eine Adaption.

Zur Melodie des Stücks "Mad World" der englischen Gruppe Tears for Fears ist das Stück "Dresden" entstanden, das wir hier in Halle präsentiert bekamen. Nur begleitet von Bruno Leuschner am Keyboard (Piano-Sound) und vom Bassisten Jacob Müller, der dabei Cello spielte, sang Werther seinen Text zur Musik der Briten. Das Stück ist eine Verbeugung vor seiner Heimatstadt - und gar nicht mal schlecht. Mit dem schon erwähnten Lied "Am Abend mancher Tage" setzte Werther mit seiner Band dann den Schlusspunkt unter den Programmteil mit LIFT-Songs. Hier kam das Publikum richtig aus sich heraus, klatschte, sang mit und freute sich über das Wiederhören dieses Klassikers. Hervorzuheben wären hier der Bassist Jacob Müller, der nach dem Stück "Leb deinen Traum" mit einem fulminanten Basssolo überzeugte - und auch Werther, der an diesem Abend wirklich gut bei Stimme war.

Die Stern-Combo Meißen zeigte Mut, denn sie eröffnete ihren Programmteil mit einem ganz neuen Titel. Die Kapelle um den jungen Sänger Manuel Schmid bekam schon vor ihrem ersten gespielten Ton eine Menge Applaus - Vorschusslorbeeren, die sie mit einem beeindruckenden Auftritt zurückzahlte. Auch wenn "Die Himmelsscheibe von Nebra" als ganz neuer Titel zu Beginn vielleicht noch nicht in jedermanns Ohr war, sprang der Funke sofort über. Das Publikum klatschte mit und feierte die Nummer ab - ein untrügliches Zeichen dafür, welche Qualität diesem Stück innewohnt. Mit "Die Sage" ließ die Combo einen Klassiker und zugleich echten Überhit der Band folgen und spendierte uns mit "Der Kampf um den Südpol" noch ein weiteres Werk dieser Qualität. In der Anmoderation dazu ließ uns Frontmann Manuel wissen, dass Martin Schreier krankheitsbedingt an diesem Tag fehlte - er hatte wohl einen Unfall und konnte deshalb nicht dabei sein. An dieser Stelle: gute Besserung nach Berlin an den Bandgründer!

Hatte die Band im ersten Teil Stücke in Überlänge, stand der zweite Teil ganz im Zeichen der Popsongs nach 1980 - darunter "Also was soll aus mir werden" vom 82er-Album "Stundenschlag", "Nächte", "Eine Nacht" und "Wir sind die Sonne". Mit "Nimm die Welt in die Hand" war im zweiten Teil wieder ein neuer Song in der Setlist, und einmal mehr sprang der Funke auf das Publikum über. Die neuen Lieder sind von ganz besonderer Qualität, was sich auch an der Reaktion des Publikums deutlich ablesen ließ: Sie fügen sich nahtlos ins Repertoire ein und schlagen eine Brücke von der Pop- in die Artrock-Ära und vom Gestern ins Heute.


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Beim Auftritt der Combo war auch erstmals zu sehen, dass das sonst sitzende Publikum plötzlich aufstand, um zur Musik mitzufeiern. Schier aus dem Häuschen war es zum Ende des Auftritts, als der Song "Wir sind die Sonne" gespielt wurde. Hier war die Stimmung definitiv auf dem Höhepunkt - und zwar nicht nur beim Auftritt der Combo, sondern insgesamt was den ganzen Abend betrifft. Auffälligste Protagonisten bei dieser Band waren neben Gitarrist Michael Lehrmann mit seinem erstklassigen Spiel auf den sechs Saiten natürlich Frontmann Manuel Schmid, der wieder wie ein Wirbelwind über die Bühne fegte und gesanglich alles in den Schatten stellte, außerdem der "Tiefdruckmeister" Lexa Schäfer, der einen mit seinen vier Saiten immer wieder angenehm in die Magengrube fährt.

Eine ähnliche Reaktion wie beim Auftritt der Combo erhielt auch die erste Zugabe, "Die Tagesreise", vorgetragen von Werther Lohse mit seiner Band sowie Michael Lehrmann an der Gitarre und Manuel Schmid und Reinhard "Oschek" Huth als weiteren Sängern. Es ist einer dieser Megahits, die in der DDR entstanden sind und die noch heute bei vielen im Ohr klingen. Das Publikum zeigte sich textsicher und unterstützte das Gesangstrio auf der Bühne nach Kräften. Die Nummer - natürlich in Überlänge gereicht - zählt für mich zu den Highlights des Abends. Als zweite Zugabe kam nochmals Karussell auf die Bühne, die von Manuel Schmid gesanglich unterstützt wurden. Wie eingangs bereits erwähnt, war die volle Version des Hits "Als ich fortging" der definitiv letzte Song des Abends. Statt der obligatorischen Feuerzeuge wie damals in den Achtzigern schwenkte das Publikum Smartphones mit eingeschalteter Taschenlampenfunktion und zeigte auch hier Textsicherheit.

Die drei Bands haben es in Halle geschafft, das Publikum zurück in die Jugend zu versetzen. Sie lieferten ihm den Soundtrack ihres Lebens und ernteten dafür am Ende Standing Ovations und lang anhaltenden Applaus. Ich hatte den Eindruck, man hätte gut und gerne noch zwei Stunden weiterspielen können - niemand wäre müde geworden oder hätte nach Hause gehen wollen. Es war wirklich ein tolles Fest. Wenn man hier ein Fazit ziehen und die eingangs gestellten Fragen beantworten möchte, kommt man an einem Punkt nicht vorbei: Diese Veranstaltung steht und fällt mit der Stern-Combo Meißen - das ist ein unumstößlicher Fakt. In ihrem Windschatten musizieren die anderen Bands. Die Art, wie sie ihre Lieder präsentiert, und dieses unbeschreibliche Phänomen, dass ihre neuen Lieder an die Qualität der alten Titel locker heranreichen und das Publikum innerhalb kürzester Zeit erreichen, ist für meinen Geschmack ein Alleinstellungsmerkmal in der sogenannten Ostmusikszene heutiger Tage.


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Karussell ist insgesamt eine gute Wahl als Ersatz für die nicht mehr existierende Gruppe Electra. Die Band packt ihr Publikum mit den großen Hits aus den Siebzigern und Achtzigern - das wollen die Leute hören, dazu möchten sie feiern, diese Lieder lieben sie. Zumindest hier in Halle wollten die neuen Songs beim Großteil des Publikums nicht so recht ankommen - sicher ist einer der Gründe dafür der, dass weder die Dudelsender im Rundfunk noch die Formate im TV heute noch neue Lieder der Bands von früher spielen. Und bei Werther Lohse und seiner Band muss man konstatieren, dass einem als Altfan der gute Sound und die Klangfülle aus den Siebzigern und Achtzigern irgendwie fehlen. Bruno Leuschner ist ein erstklassiger Mann an der Tastatur - das konnte er schon bei electra zeigen -, aber er kann diesen Klang, für den LIFT einst berühmt und berüchtigt war, allein nicht erzeugen.

Jedem sei ein Besuch des neuen SACHSENDREIER empfohlen - es ist ein tolles Programm mit wirklich vielen schönen Momenten, die es in jedem Programmpunkt zu entdecken gibt. Vielleicht gibt es einen Mitschnitt des neuen Programms ja demnächst auch auf DVD?






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